Am Wasser wächst ein feiner Tropfen.
Die jugoslawische Küste und die ihr vorgelagerten Inseln zählen zu den ältesten Weingegenden der Welt.
Ein Spaziergang durch die jugoslawischen Weinbaugebiete auf der Suche nach den edelsten Weinen beginnt am besten auf der Halbinsel Peljesac. Jeder, der sich von Reben und Wein bezaubern lassen möchte, sollte hier anhalten, den Ort Dingac besuchen und sich ein Weilchen zu den Winzern und Weinhändlern setzten.
Hier kommen auf einer überschaubaren Fläche die vier wichtigsten Voraussetzungen für einen einzigartigen Wein zusammen: die Rebe, aus der die Trauben wachsen; der Boden, der dem Wein sein Gepräge verleiht; der Himmel, der den Trauben Sonne und Regen schenkt; und schließlich der Mensch, der die Reben hegt und ihre Früchte mit Kennerschaft in Wein verwandelt.
Der Plavac mali, aus einer auf Karst und kargem Terrain wachsenden Rebe, die für ihre Widerstandsfähigkeit gegen Krankheit und Dürre bekannt ist, fand in der Wildheit von Dingac seine Heimat. Wer weiß, vielleicht ist jene wundersame Rebe, die kleine fruchtbaren Felder verträgt, gerade hier in dieser Rauhheit, an diesen unzugänglichen steinernen Hängen im mittleren Teil von Peljesac entstanden. Dank des Steilhangs, an dem Dingac, stellenweise bei einer Neigung von 75 Grad, zum Meer abfällt, wird die Rebe, die auf der Schräge wächst, zweifach durch die Sonne verwöhnt: direkt von Himmel und mittelbar durch die Strahlen, die von der ruhigen Oberfläche des Meeres wie von einem Spiegel reflektiert werden. Wegen des ausnehmend ariaden Klimas im Sommer spritzt man hier die Weingärten nie gegen Brand oder andere Krankheiten; lediglich zu Beginn des Frühlings, wenn die Knospen sprießen, wird ein Schwefelpräparat gegen Mehltau verwendet. Daher gibt es in diesem Wein keine Pestizide, so daß man ihn mit vollem Recht den Bioweinen zuordnen könnte. Obwohl die Winzer hier für ihre Tropfen berühmt sind, die noch im 15. Jahrhundert auf dem Markt einen drei- bis vierfachen höheren Preis als andere Weine erzielten, haben sie seit langem ihre kleinen Keller geschlossen und ihr Weingeschirr verkauft.
Bereits seit Ende des letzten Jahrhunderts genossenschaftlich organisiert, bauten die Dörfer Potomje, Kuna Pijavicino 1959 in freiwilligen Arbeitseinsätzen und mit Spendengeld eine schöne große Weinkelter und verarbeiteten feierlich die ersten Trauben. Später wurde die Kelter der Genossenschaft Dingac- Potomje noch erweitert, so daß sie nun die Ernten aller Winzer aus der Umgebung annehmen kann. 1961 erhielt der Dingac, der immer wieder verfälscht worden war, als erster jugoslawiscger Wein den Schutz der Herkunftbezeichnung.
Heute darf per Gesetz Dingac heißen, was auf der 47,6 Hektar großen Fläche wächst, die sich in einer Länge von drei bis vier Kilometern und einer Breite von weniger als einem Kilometer in Terrassen gestaffelt am Meer entlang erstreckt. Dadurch wird höchste Qualität von Trauben und Wein gewährleistet.
Die Lese, erläutert uns Ante Madirazza, Direktor der Genossenschaft, erfolgt in zwei Phasen: Die erste ist Anfang Oktober, wenn der Traubensaft noch einen niedrigen Zuckeranteil von 23 Prozent hat, und die zweite zehn bis fünfzehn Tage später, als Auslese Probirna Berba, wenn die Trauben bereits einen bestimmten Anteil an Trockenbeeren haben. Gelesen wird manuell, und die Trauben kommen sofort in den fünf Kilometer entfernten keller nach Potomje. Mit einer spezifischen Vinifizierung, die auf dem Prinzip der schnellen Absonderung der Farbe aus der Haut der Beeren und dem Verhindern einer übermäßigen Absonderung von Phenolverbindungen beruht, kann man bei einem Redement von 55 Prozent insgesamt 1800 Hektoliter des als König unter den jugoslawischen Weinen bekannten Spitzenweines Dingac in Erst- und Zweitlese produzieren.
Zur Zeit Österreich- Ungarns ließ sich der Dingac in den eigentlich weinreichen Ländern der Donaumonarchie leicht absetzen, hauptsächlich in Wien und Prag.
In den Letzten Jahrzehnten wurde er in viele europäische Länder exportiert. Heute ist die Bundesrepublik Deutschland der größte Abnehmer. Die Weinsorte Dingac vertritt mit all ihren Charakteristika aufs feinste, was feurige mediterrane Weine zu bieten haben. Aber gleichzeitig ist sie frei von jenen Mängeln, die Weine der Mittelmeerküste vielfach haben. Die Farbe des Dingac ist ein dunkles Rubinrot, seine Blume ist prägnant und charakteristisch, sein Geschmack voll, leicht süßlich, dabei aber herb, frisch und harmonisch, sein Alkoholgehalt beträgt 14 bis 15 Volumenprozent.
Der Dingac ist daher mit Vorsicht und in Maßen zu genießen. In den Häusern der Winzer auf Peljesac wird er aus Likörgläsern getrunken – und nur bei besonderen Anlässen: Geburt, Hochzeit, Taufe, Geburstag… Dann treinkt man ihn zu Braten, Wild und Käse.
Der Plavac mali ist – so die Önologin Andjelka Ancic – die bekannteste rote Rebsorte Dalmatiens. Ihr Anbaugebiet beschränkt sich auf den Küstensreifen von Dubrovnik bis Primosten, sowie auf die Halbinsel Peljesac und die Inseln Mljet, Lastovo, Korcula,. Vis Hvar und Brac.
Es handelt sich um eine Sorte, die wie der Dingac an den steilen Südhängen am Meer am besten gedeiht. Obwohl diese Plavac- Weine oft von ganz ähnlichen Lagen stammen, sind sie so verschieden, daß man kein Weinkenner sein muß, um den Unterschied herauszuschmecken. Es lohnt sich, die Nuancen kennenzulernen, vielleicht entsteht so eine neue dauerhafte Freundschaft.
Von den Dingacer Weingärten aus kann man die benachbarte Insel Korcula sehen oder Korkyra melaina, wie die Griechen sie wegen ihres Waldreichtums nannten. Korkyra ist nicht mehr so schwarz und bewaldet wie einst. Die für viele schönste Adriainsel ist heute vor allem für ihre Weißweine bekannt, in erster Linie für Posip und Marastina.
Im Unterschied zum Marastina, eine autochthone dalmatinische Sorte, die auch auf anderen Inseln und an der Küste anzutreffen ist, wächst der Posip nur auf Korcula und nur auf zwei Feldern dem von Smokvica und dem von Cara. In diesen wunderschönen Weingärten sind die meisten Stöcke Posip, einige Marastina und nur ganz wenige Bratkovina, eine alte einheimische Rebsorte, deren Trauben ein unersetzliches Gewürz für die zwei geschützten Spitzenweine abgeben.
Einer uralten Legende zufolge, die auf die alten Griechen zurückgeht, soll ein Vogel den Posipsamen in seinem Schnabel mitgebracht und ihn irgendwo am Rande des Feldes von Smokvica fallen gelassen haben. Mit Sicherheit weiß man, daß sich diese Rebsorte auf der Insel erst Ende des letzten Jahrhunderts auszubreiten begann, als die Weingärten nach der Verwüstung durch die Reblaus überall in Europa auch hier erneuert wurden.